Geschichte und Politik, Klasse 12
Schulmitschrift 2008/2009.
Inhaltsverzeichnis
- Themenfeld 1: Herrschaft und Partizipation in der Vormoderne
- 1.1 Athen
- 1.2 Das Mittelalter – Feudalismus und Ständegesellschaft
- 1.2.1 Die Entstehung des ersten Deutschen Reiches
- 1.2.2 Frankenreich unter König Chlodwig
- 1.2.3 Das Lehenswesen (Feudalismus) als Grundlage
der politischen Ordnung
- 1.2.4 Die Grundherrschaft als ökonomische Grundlage
der mittelalterlichen Feudalgesellschaft
- 1.2.5
- 1.2.6 Die Bedeutung der mittelalterlichen Stadt als
Keimzelle bürgerlicher Freiheit
- 1.2.7 Reichstag und Landtage als Vorläufer und Wurzeln von Parlamenten
und Parlamentarismus in Deutschland
- 1.3 Absolute Monarchie und Aufklärung: Modernisierung
als Ende der Partizipation?
- Themenfeld 2: Von der traditionellen zur modernen Gesellschaft
1.3 Absolutismus und Aufklärung: Modernisierung als Ende
der Partizipation?
1.3.1 Staat und Gesellschaft im Absolutismus
Zeitalter des Absolutismus: 1648 (Ende des 30-jährigen Krieges)
bis 1789 (Ausbruch der französischen Revolution)
Politische Veränderungen in Staat und Gesellschaft:
- Herausbildung des modernen Staats
- Veränderung der staatstheoretischen Legitimation der Herrscher
- neue Formen der Herrschaftsführung
aber:
- keine Veränderung der Gesellschaftsstruktur
- 1. Stand: Geistlichkeit (Klerus)
- 2. Stand: Adel
- 3. Stand: Bauern, Stadtbewohner
- weiterbestehen der Grundherrschaft
1.3.1.1 Theoretische Grundlagen und Legitimation
des absolutistischen Staates
1) Die Idee der Souveränität als Grundstein für den modernen Staat,
Jean Bodin (1530–1596): »Sechs Bücher über den Staat«. (1576).
Zitat:
Der Staat ist eine von Gott gesetzte Ordnung. Er hat die Aufgabe, in der
Gesellschaft das Recht zu schaffen und zu erhalten. Dazu bedarf er der Macht,
die uneingeschränkt, souverän sein muss. Souverän ist sie, wenn sie nach innen
und außen die oberste und schlechthin unabhängige Gewalt ist. Um ihrer Stetigkeit
willen muss sie in der Person eines einzelnen verankert sein. Der Herrscher ist nur
an die göttlichen und natürlichen Gesetze gebunden, nicht aber von der Zustimmung
der Stände abhängig. Ein Widerstandsrecht gibt es nicht.
a) Bedeutung des Begriffes Souveränität
- absolute und unbegrenzte Herrschaftsgewalt, d.h. höchste Befehlsgewalt
über alle Untertarnen
b) Rechte und Freiheiten, die dem Inhaber
der Souveränität zustehen:
- von der Gewalt der Gesetze entbunden
- Befehlen anderer auf keine Weise unterworfen
- Ernennung und Absetzung von Beamten, Besteuerungsrecht,
Begnadigungsrecht, Münzrecht
- geben den Untertarnen Gesetze, ohne Zustimmung anderer
- Entscheidung über Krieg und Frieden, Recht der letzten Instanz
- Befehle und Verbote haben Gesetzeskraft
c) Wer muss Inhaber der Souveränität sein?
- Souveränität des Staates = Souveränität des Fürsten
d) Welche Schranken sind dem Inhaber der Souveränität gesetzt?
- Gesetze Gottes und der Natur
- Grundgesetze der Monarchie
- fremdes Eigentum darf nicht konfisziert werden
2) Thomas Hobbes (1588–1679): »Leviatan
[Die Lehre vom Gesellschaftsvertrag]«. (1651).
a) Worin besteht der Zweck des Staates?
- Errettung des Menschen aus dem Zustand eines Krieges aller
gegen alle. (»homo homini lupus«: Der Mensch als des Menschen Wolf)
- Gründung einer allgemeinen Macht zum Schutz vor Feinden und
zur Sicherheit aller
b) Wie entsteht der Staat nach der Auffassung Hobbes?
- Übertragung der Macht oder Kraft jedes einzelnen Menschen
auf einen oder mehrere Menschen zur Konzentration des Willens aller
c) Definition des Staates
- Der Staat ist eine Person, deren Handlungen (Beschlüsse,
Gesetze, Entscheidungen) die anderen Menschen entsprechend
des Gesellschaftsvertrages als ihre eigenen Handlungen ansehen
- d.h. alle Einzelnen werden eine Person und heißen Staat
1.3.1.2
Die Herausbildung des modernen Staates in Frankreich
1) Struktur der französischen Ständegesellschaft
ständische Monarchie: Einschränkung der Macht des Königs durch den
1. Stand (Klerus: 120.000) und den 2. Stand (Adel: 360.000)
Beispiele für die Einschränkung: a) Generalstände =
Ständeversammlung von Vertretern der drei Stände (Klerus: 291
Vertreter, Adel: 270 Vertreter, 3. Stand: 578 Vertreter)
- alle je eine Stimme [je Stand oder je Vertreter?]
- Steuerbewilligungsrecht
b) »Pariser Parlament« als oberstes Gericht in Frankreich
(nicht mit dem Parlament von Heute zu verwechseln),
Aufgabe: Registrierung von Gesetzen
2) Herausbildung der absolutistischen Monarchie
- Unterbindung des Mitsprachrechts der Generalstände
(durch Nichteinberufung ab 1615)
- Bekämpfung aller Versuche des Adels zur Rückgewinnung seiner Macht
(Niederschlagung adliger Verschwörungen)
- Ämterkauf durch Vertreter des 3. Standes d.h. Vernichtung des
Einflusses des Adels auf die Staatsverwaltung
3) Gewaltkonzentration im Staat Ludwig XIV (1638–1715,
1643 Thronbesteigung, 1661 Übernahme der Regierungsgeschäfte)
a) Regierungsgrundsätze Ludwigs XIV
- Verzicht auf Premierminister mit zu großer Machtfülle
- Oberste Macht in der Hand des Königs
(»L'état fait corps dans la personne du roi.«:
Der Staat wird in der Person des Königs verkörpert.)
Themenfeld 2:
Von der traditionellen zur moderenen Gesellschaft
Hauptgegenstand des Themenfeldes:
Entwicklung des modernen Staates mit dem politischen System der
Demokratie und der Industriegesellschaft in Nordamerika und Europa
im 18. und 19. Jahrhundert auf der Grundlage der politischen
und industriellen »Doppelrevolution«.
2.1 Die Gründungs- und Frühgeschichte der USA
— Menschen vieler Völker bilden eine Demokratie
Einführung: Aufstieg der ehemals nordamerikanischen Kolonien
Englands zur Groß- und Weltmacht des 20. Jahrhunderts
(Ende des 19. Jahrhunderts überflügelten die USA mit industrieller
und landwirtschaftlicher Produktion die anderen Industrienationen;
entscheidende Beteiligung an beiden Weltkriegen; wirtschaftliche
und militärische Führungsrolle in den westlichen Vertrags-
und Bündnissystemen).
- Ältestes demokratisches »Experiment« der Neuzeit mit pluralistisch
demokratischer Gesellschaft und multi-ethnischer Bevölkerung.
Europäische Einwanderung von 1776 bis 1990:
Staat | Einwanderer
|
---|
England | 5 Mio.
|
Irland | 4,5 Mio.
|
Deutschland* | 7 Mio.
|
Italien | 5 Mio.
|
Skandinavien | 3 Mio.
|
Osteuropa | 4 Mio.
|
*Davon mehr als 6 Mio. von 1830 bis 1930.
Asiatische Einwanderung von 1820 bis 1990: ca. 5,7 Mio.
2.1.1 Die Kolonialzeit 1607–1776
- 1607 erste englische Siedler an der Ostküste
- Gründung von 13 Kolonien auf Initiative englischer Kaufleute
und Handelsgesellschaften (»The flag follows the trade«)
- 1607–1763: 2 Mio. Immigranten
Einwanderungsgründe:
- Abenteuerlust
- Repressalien gegen die protestantische Glaubensgemeinschaft
der Puritaner in England
- wirtschaftliches Gewinnstreben (z.B. »gold rush«)
- zwangsweise Immigration von schwarzafrikanischen Sklaven
(1620–1860), ca. 500000, 1860 ca. 4 Mio. von 12 Mio.
Gesamtbevölkerung
Politisches System und Gegensätze in der Kolonialzeit:
- Kolonialregierung nach Prinzip der Selbstverwaltung
- Entwicklung von Gegensätzen zwischen Mutterland und Kolonien:
- Steuererhöhung nach englisch-französischem Kolonialkrieg
- Kolonisten ohne Wahlrecht für das englische Parlament
(»No taxation without representation«)
- Beanspruchung der für Indianer vorgesehenen Gebiete durch Siedler
- Auseinandersetzung um Navigationsakte von 1651 (Transport
englischer Waren nur durch englische Schiffe), »Boston Tea Party«
1773 als Protest gegen Teesteuer, Entsendung englischer Truppen
und Entzug des Rechtes auf Selbstverwaltung durch den englischen König
2.1.2 Unabhängigkeitskrieg und Revolution
- Kontinentalkongress der englischen Kolonien 1774:
- Androhung eines Handelsboykotts gegen England
- Bürgerbewaffnung gegen englische Intervention
- Unabhängigkeitskrieg 1776–1783:
- wird durch Unterstützung Frankreichs (1778), Spaniens
und der Niederlande (1779) für amerikanische Kolonisten zum
internationalen Konflikt
- 1781 Kapitulation der britischen Truppen bei Virginia
- 1783 Friedensabschluss in Paris
- Beschluss des Kontinentalkongresses der 13 Vereinigten Kolonien
vom 4. Juli 1776:
- Deklaration der Menschenrechte (Grundlage: Virginia Bill of Rights)
- Verkündung der Unabhängigkeit der Vereinigten Kolonien
(Anerkennung der Souveränität durch England 1783)
- Zusammenschluss der 13 Einzelstaaten zum Staatenbund »United
Staates of America« 1781
- aber: Erhaltung der Souveränität der Einzelstaaten
1.3.2 Die Staatsvorstellungen der Aufklärung —
Grundlage des modernen Verfassungsstaates
1. Grundsätze der Aufklärung (1650–1800)
- Kritik am Absolutismus
- Anspruch des Fürsten auf uneingeschränkte Souveränität
(Gesetzgebungsmonopol, Besteuerungsrecht usw.)
- Ständegesellschaft (3. Stand ohne politischen Einfluss)
- Gottesgnadentum
- Verstand als Grundlage des Denkens
- ist die Quelle der Erkenntnis (Wissen)
- Regel des Verhaltens
- Maßstab der Werte
2. John Locke (1632–1704): »Two Treatises on Government«.
(1689)
Die Staatsvorstellungen der Aufklärung.
Idee der Menschenrechte und Freiheit:
- alle Menschen besitzen von Geburt an unverletzliche natürliche
Rechte, Freiheit, Gleichheit, Sicherheit, Eigentum, Widerstand
gegen Machtmissbrauch
- Rechte müssen von der staatlichen Macht anerkannt und
geschützt werden
Idee der Herrschaft des Rechts:
- Rechtsstaatlichkeit mit Bindung aller staatlichen Gewalt
an Recht und Gesetz
3. Charles-Louis de Secondat de Montesquieu (1689–1755):
»De l'esprit des lois«. (1748)
Idee der verantwortlichen Regierung:
- Gewaltenteilung zwischen legislativer, exekutiver und judikativer
Gewalt
- Parlamentarismus: Verantwortlichkeit der Exekutiven gegenüber
einem demokratisch legitimierten Parlament
Idee der Volkssouveränität:
- »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus«
- Vertreter durch Zustimmung bzw. Vollmacht des Volkes
(demokratische Wahlen)
4. Der Gesellschaftsvertrag nach Jean-Jacques Rousseau
(1712–1778): »Du contrat social«. (1762)
Wodurch entsteht nach Rosseau der Staat und welche Funktion
soll er ausüben?
- Entstehung des Staates durch den »Gesellschaftsvertrag«
- Funktion des Staates: Wahrung des Gemeinwohls, d.h.
Schutz der Person und des Vermögens jedes einzelnen Mitgliedes
der Gesellschaft
Wesen des Gesellschaftsvertrages:
Vereinbarung aller Mitglieder der Gesellschaft, in der jeder seine
Person unter die oberste Leitung eines »Gemeinwillens«
(»volonté générale«) stellt.
»Gemeinwille«: Gesamtwille aller Mitglieder der Gesellschaft,
der im Ausgleich der Interessen aller entsteht und er dann dem
eigentlichen, den wahren Interessen der Gesellschaft und damit dem,
was jeder vernünftigerweise wollen muss, entspricht.
Zwangsgewalt des Staates muss einen gegen den Gemeinwillen
gerichteten Sonderwillen (Sonderinteressen) einzelner Bürger
unterdrücken.
Anzustrebende Staatsform: direkte Demokratie ohne Gewaltenteilung
und ohne parlamentarische Repräsentanten
5. Immanuel Kant (1724–1804)
»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner
[...] Unmündigkeit«
(unmündig: nicht das Recht haben, selbst
zu entscheiden)
Zielstellung der Aufklärung: Menschen zur Freiheit führen
1.3.3 Die Aufklärung als geistige Grundlage von Staat
und Herrschaft im absolutistischen Preußen
1.3.3.1 Die Entwicklung Preußens zur europäischen Großmacht
1.3.3.2 Der aufgeklärte Absolutismus — das Beispiel Preußen
Warum verbreiteten sich die Gedanken der Aufklärung in Deutschland
erst später als in den Staaten Westeuropas?
- religiöse Spaltung, Fragen der religiösen Toleranz
- doppelte Spaltung: religiöse und territoriale
Auf welche Weise sollten sich nach Auffassung der deutschen
Aufklärer die notwendigen Veränderungen in Staat und Gesellschaft
vollziehen?
- kein Umsturz von Staat und Gesellschaftsordnung, sondern rationale
Staatslenkung durch den Monarchen
- kein Aufzwingen der neuen Denkweise
2.2 Die Französische Revolution — Auftakt einer
modernen Gesellschaft in Europa
2.2.1 Ursachen und Verlauf der Revolution bis 1791
a) die Krise des vorrevolutionären Frankreichs (Ancien Régime)
- Finanzkrise des absolutistischen Frankreichs (kostspielige
Hofhaltung und Schuldendienst mit über 60% der Staatseinnahmen
- Privilegien von Klerus und Adel (Befreiung von Hauptsteuern)
- Bürgertum mit wachsender wirtschaftlicher Bedeutung, aber ohne
entsprechenden politischen Einfluss
- Staatskrise: Staatsbankrott August 1788
b) Die erste Phase der Revolution (1789–1791): Die Eröffnung
einer konstitutionellen Monarchie
- Forderungen des 3. Standes in der Ständeversammlung
vom Mai 1789
- Abstimmung nach Köpfen (1. Stand 291, 2. Stand 270,
3. Stand: 578)
- Abschaffung von Steuerprivilegien
- Anerkennung der Vertretung des 3. Standes als
Nationalversammlung
- Regierung des Königs nur mit Zustimmung der Nationalversammlung
- Verlauf der Revolution bis zum Ende der absolutistischen
Alleinherrschaft Ludwig XVI:
- 17. 6. 1789: Vertretung des
3. Standes erklärt sich zur Nationalversammlung (vergleiche Idee
des Parlamentarismus)
- 20. 6. 1789: Ballhausschwur zu Versailles (Forderung
nach einer Verfassung)
- 14. 7. 1789: Sturm auf die Bastille
- 4/5. 8. 1789: Aufheben des Feudalsystems (Leibeigenschaft)
und Abschaffung der Standesvorrechte durch die Nationalversammlung
(vergleiche Ende der Ständegesellschaft)
- 26. 8. 1789: Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte
nach amerikanischen Vorbild (vergleiche Idee der Menschenrechte und
der Freiheit)
- 21. 6. 1791: Missglückte Flucht des Königs
- 3. 9. 1791: Verkündung der Verfassung einer konstitutionellen
Monarchie (vergleiche Idee der verantwortlichen Regierung/Gewaltenteilung,
Idee der Volkssouveränität)
Gewaltenteilung
- König mit exekutiver Gewalt:
- Oberbefehl über Nationalgarde
- Ernennung der Minister
- Vetorecht gegen die Beschlüsse der Nationalversammlung
(aber nur aufschiebendes Vetorecht)
- Ernennung der Minister, Offiziere und hoher Beamter
- Nationalversammlung mit legislativer Gewalt:
- Gesetzgebung
- Budgetrecht
- Ratifizierung von Verträgen
- Einverständnis bei Kriegserklärungen des Königs
- Judikative Gewalt:
- Wahl der Richter durch die Aktivbürger
2.2.2 Die Entwicklung Frankreichs von der
konstitutionellen Monarchie bis zum Kaiserreich
1. Die zweite Phase der Revolution (1792–1794):
Die Errichtung der Diktatur der Jakobiner
- nach Errichtung der konstitutionellen Monarchie keine Beendigung
der Revolution bzw. keine Stabilisierung der politischen Verhältnisse
- Radikalisierung durch soziale Spannungen (Warenknappheit, Hunger),
Verschwörung des Königs, Enteignung der Kirche und Eidverweigerung
von Priestern, Krieg gegen mehrere europäische Mächte und Aufstände
in der Provinz
- innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen
- Feuillants (königstreuer, liberaler Adel): für Beendigung
der Revolution
- Girondisten (Vertreter des Besitzbürgertums): für eine Republik
der Notablen = angesehene Oberschicht auf Grundlage von Besitz
und Gesetzlichkeit
- Jakobiner (Vertreter der städtischen kleinbürgerlichen
Volksmassen): für revolutionäre Diktatur in einer sozial gerechten,
auf optimaler Gleichheit beruhenden Republik
- 10. 8. 1792: Volksaufstand in Paris (»zweite französische
Revolution«): Erstürmung der Tuilerien und Gefangennahme des Königs
- 21. 9. 1792: Zusammentritt einer zweiten Verfassungsgebenden
Versammlung (Nationalkonvent): Abschaffung der Monarchie, Frankreich
wird Republik
- 21. 1. 1793: Hinrichtung König Ludwig XVI
- 6. 4. 1793: Übernahme der Regierungsgewalt im
»Wohlfahrtsausschuss« des Nationalkonvents durch die Jakobiner unter
Führung von Maximillian Robespierre: Beginn des »régime de la terreur«
(Schreckensherrschaft und Terrorherrschaft) gegen tatsächliche oder
vermeintliche Feinde der Revolution unter Aristokraten, Ausländern,
Priestern und selbst Parteigängern der Jakobiner (ca. 30000 bis 40000
Opfer)
- 28. 7. 1794: Hinrichtung Robespierres
2. Die dritte Phase der Revolution (1794–1799): Die Herrschaft
des Direktoriums und der Aufstieg Napoleons
- nach Sturz der Jakobinerdiktatur und Auflösung des Nationalkonvents
Errichtung einer gemäßigt autoritären Herrschaft eines fünfköpfigen
Direktoriums als Machtorgan des Großbürgertums (Girondisten)
- schnelle Karriere des Artillerieoffiziers Napoleon Bonaparte im
Rahmen der militärischen Expansion und außenpolitischen Erfolge
Frankreichs (1795 Niederschlagung eines Königstreuen Aufstandes,
Oberbefehl im Italienfeldzug mit Sieg über Österreich)
- 10. 11. 1799: Staatsstreich gegen Direktorium und
Übernahme der Macht durch drei Konsuln unter Führung Napoleons als
Erster Konsul (1802 Konsul auf Lebenszeit)
- 2. 12. 1804: Selbstkrönung Napoleons zum
»Kaiser der Franzosen«, d.h. Umwandlung der Republik in ein
erbliches Kaisertum
- aber: das Napoleonische Kaisertum als moderne Monarchie
in Einheit mit der durch die Revolution geschaffenen bürgerlichen
Ordnung:
- Zentralisierung der Verwaltung
- Aussöhnung mit der Kirche, aber Beibehaltung der Entkirchlichung
des Staates (z.B. Zivilehe)
- Code Civil zur Beseitigung der Feudalordnung:
- Gleichheit vor dem Gesetz
- bürgerliche Eigentumsordnung
- Gewerbefreiheit
- Abschaffung von Steuerprivilegien
- Zugang zu Staatsämtern auch für Nichtadelige
2.2.3 Die geschichtliche Bedeutung der Französischen
Revolution und ihre Auswirkungen auf Deutschland
1. Grundlegende Merkmale einer Revolution im Gegensatz zu anderen
gesellschaftlichen Umbrüchen
- Eine Revolution ist eine meist unter Anwendung von Gewalt
erzwungene Totalveränderung der staatlichen Gewalt.
- Einführung eines neuen politischen Systems und eines personalen
Wechsel des Inhabers der Staatsgewalt
- Neue Ordnung wird durch die Interessen der bisher benachteiligten
Schichten bestimmt, aber von einer oppositionellen Elite inszeniert;
ihr Gelingen hängt von der erklärten Zustimmung der Mehrheit des
Volkes ab
2. Die geschichtliche Bedeutung der Französischen Revolution
- Die Französische Revolution als historisches Beispiel dafür,
dass Revolution zu einem Mittel der politischen Veränderungen wurden
- Die Französische Revolution als Einschnitt in der europäischen
Geschichte, der einerseits die Überwindung der ständischen
Gesellschaftsordnung und der mittelalterlichen geprägten Adels-
und Königsherrschaft und andererseits die Errichtung einer bürgerlichen
Ordnung mit politischem Freiheits- und Gleichheitsrecht sowie
staatlicher Gewaltenteilung kennzeichnet. (die Revolution hat die
Ideen der Aufklärung durchgesetzt)
- In der Folge der Französischen Revolution kristallisieren sich
drei ideologische Grundströmungen, d.h. Auffassungen und
Denkvorstellungen bestimmter Gesellschaftsgruppen des 19. Jahrhunderts
heraus:
- der Nationalismus: Streben nach nationalstaatlicher Einheit in
Verbindung mit überzogener Selbsteinschätzung des Volkes
- der Liberalismus: Übernahme der Ideale der Französischen
Revolution (»Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit«) als Antithese
zu absolutistischer Willkür und Ungleichheit der Ständeordnung
- der Konservatismus: Erhaltung bzw. Wiederherstellung der
vorrevolutionären Ordnung
3. Die Auswirkungen der Französischen Revolution auf Deutschland
a) Die »napoleonische Flurbereinigung« in Deutschland — eine
vollständige territoriale und politische Neuorganisation
- 1801: Abtretung der linksrheinischen deutschen Gebiete an
Frankreich
- 1803: »Reichsdeputationshauptschluss« (Reichstagsausschuss):
Entschädigung der weltlichen Herrscher für Gebietsverluste von 1801
durch Säkularisierung der geistlichen Fürstentümer (Überführung in
weltlichen Besitz) und Mediatisierung von 45 Reichsstädten und kleinen
Fürstentümern (Verlust der Selbstständigkeit und Zuordnung zu größeren
»Mittelstaaten« wie Baden, Bayern, Preußen, Württemberg, d.h.
Auflösung von ca. 300 Fürstentümern, Bistümern und freien Reichsstädten
(Beseitigung der Auswüchse der Kleinstaaterei))
- 1806: Austritt von 16 süd- und norddeutschen Staaten aus dem
Reichsverbund und Abschluss eines Bündnisses mit Frankreich;
Auflösung des »Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nationen«
nach Abdankung Kaiser Franz II